Liesel Neugarten: Unterschied zwischen den Versionen

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Liesel Neugarten wurde als Tochter von Max Neugarten und Johanna Stern am 25. Februar 1933 geboren. Die jüdische Familie hat zu dem Zeitpunkt in Dortmund gelebt.  
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==Lebensdaten==
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Liesel Neugarten wurde als Tochter von [https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Max_Neugarten Max Neugarten] und [https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Johanna_Neugarten_geb._Stern Johanna Stern] am 25. Dezember 1933 geboren. Ihre Familie war jüdisch und lebte zu diesem Zeitpunkt in Dortmund.
  
Der Geburtstag der Tochter zur ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick zur Lebenszeit der Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden boykottiert und das Ermächtigungsgesetz, mit dem Adolf Hitler seine alleinige Macht festigen konnte, war bereits fast ein gesamtes Jahr lang in Kraft getreten.
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==Leben==
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[[Datei:Platzhalter-weiblich.jpg|200px|thumb|right|Von Liesel Neugarten gibt es kein Bild]]
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===Kindheit===
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Der Geburtstag der Tochter Liesel in der ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick für die Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden [[Boykott Jüdischer Geschäfte|boykottiert]] und das [[Ermächtigungsgesetz]], durch das die demokratische Grundordnung aufgehoben worden war, war im März in Kraft getreten.
  
Von da an (1934 – 1941) hat sich das Leben für sehr viele jüdische Menschen, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung, Menschen von anderen Nationalitäten und Menschen, die denen gut gesinnt gewesen sind, sehr verschlechtert.
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Von da an (1934 – 1941) verschlechterte sich das Leben für jüdische Mitbürger, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen, wie Menschen anderer politischer und religiöser Überzeugungen, für Menschen mit Behinderung, aber auch für weitere, von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichnete Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma).
  
Jüdische Mitbürger wurden von vielen Deutschen, einschließlich des deutschen Staates, diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt, sogar nach dem Leben ist ihnen getrachtet worden.
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Jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen wurden von staatlicher Seite, aber auch von vielen Privatleuten diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt.
  
In Dortmund, ungefähr am 1. April 1935, hat die „Westfälische Landeszeitung – Rote Erde“ über einen Vortragsabend des „Nationalistischen Lehrerbundes“ mit dem Thema „Gefahren für die Reinheit der Rasse“ berichtet. Im August des gleichen Jahres ruft die gleiche Zeitung zum Boykott von jüdischen Geschäften auf und veröffentlicht Fotos von ihren ‚deutschen‘ Kunden, um weiter Druck auszuüben.  
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In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden.
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Für Liesel, die zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt war, werden diese Erlebnisse höchstwahrscheinlich traumatisierend gewesen sein.
  
In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden.  
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Von da an war es jüdischen Mitmenschen untersagt, öffentliche Orte z.B. Spielplätze und Parks oder das Kino zu besuchen.<span id="one"></span>[[#Einzelnachweise|¹]] Liesel hatte also wenige Möglichkeiten, eine normale Jugend zu erleben.
Liesel ist zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt gewesen, eine schreckliche Zeit um aufzuwachsen.
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[[Datei:Juden Straßenschild.png|300px|thumb|left|<div style="background:#FFFFCD">Hinweisschild vor einem Park
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<br>"Juden unerwünscht" <br>Dieses Bild zeigt die Diskriminierung welche Liesel erfahren hat.<br>Zeichner: [http://www.kunst.uscho.de'''Udo Schotten'''], 2023</div>]]
  
Von da an war es für jüdische Kinder auch verboten zur Schule zu gehen, auch öffentliche Plätze z.B. Spielplätze und Parks waren für jüdische Mitmenschen verboten. Liesel hatte also nie die Möglichkeit Kontakt mit Gleichaltrigen zu haben oder Schulfreunde zu finden, geschweige denn vernünftig lesen und schreiben zu lernen;
 
außerdem ist Liesels Vater ist von Beruf Kaufmann gewesen, er konnte also nicht mehr so einfach Geld verdienen, um die Familie vernünftig zu ernähren; man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein sehr hartes Leben geführt haben muss.
 
  
1942, der 2. Weltkrieg ist inzwischen in vollem Gange und Liesel ist fast 9 Jahre alt gewesen. Ihre Familie wurde dazu gezwungen mit vielen anderen in ein „Judenhaus“ in der Steinstraße in der Nähe vom Dortmunder Hauptbahnhof zu ziehen; heute ist dort das CineStar Kino.
 
  
Vom Oktober 1941 an sind immer mehr Juden ‚verschwunden‘, deportiert worden, in den Osten, wo sie dann unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen worden sind, bis sie dann zum größten Anteil getötet wurden; einige wurden auch direkt nach Ankunft getötet, weil sie z.B. nicht zu ausreichend Zwangsarbeit in der Lage gewesen sind, vielleicht weil sie zu alt, zu jung oder zu krank gewesen sind, vielleicht aber auch weil sie sich geweigert haben oder weil das betroffene Lager schon zu voll war; es wird sehr viele Gründe gegeben haben, um kaltblütigen Mord zu rechtfertigen, und das obwohl das niemals zu rechtfertigen ist.  
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:Sowohl Liesels Vater, der im kaufmännischen Bereich tätig war, als auch Liesels Mutter, welche das [https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Johanna_Neugarten_geb._Stern#Kindheit_und_Jugend Geschäft für Herrenartikel] des Vaters zusammen mit Ihrer [https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Frieda_Stern Mutter Frieda] und Ihrer Schwester Grete führte, waren als Kaufleute vom [[Boykott Jüdischer Geschäfte|Boykott der jüdischen Geschäfte]] betroffen, weshalb sie also nicht mehr so einfach Geld verdienen konnten, um die Familie vernünftig zu ernähren. Man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein entbehrungsreiches Leben geführt hat.
  
Liesels Vater und ihre Familie hatte etwas mehr Zeit, er hatte aufgrund des Krieges einen Beruf in einem Betrieb, der für eben diesen Krieg wichtig gewesen ist; trotzdem wurde er am Samstag, den 27. Februar 1943 festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.  
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===Schulleben===
Am 1. März wurden sie (Liesel und ihre Eltern) von dort aus zum Ostentor gebracht (damals ist einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof gewesen, der sogenannte „Südbahnhof“), damit sie dann von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz gebracht werden konnten.
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Ebenso war es jüdischen Kindern verboten, zu deutschen Schule zu gehen.<span id="two"></span>[[#Einzelnachweise|²]] Viele besuchten stattdessen dann jüdische Schulen, um zumindest für wenige Stunden dem grausamen Alltag zu entkommen und unter Gleichen zu sein. Doch ab September 1941 wurden die Lebensverhältnisse der jüdischen Familien durch Zwangsarbeit, Armut und täglicher Schikane extrem bedrückend. Hinzu kommt, dass ab September 1941 Jüdinnen und Juden ab 6 Jahren verpflichtet waren, den sogenannten Judenstern offenkundig zu tragen.<span id="three"></span>[[#Einzelnachweise|³]] Ein Emigrationsverbot wurde ausgesprochen und Deportationen begannen, was zum Ende des jüdischen Schulwesens führte. Die Reichsvereinigung wurde angewiesen, alle jüdischen Schulen bis zum 30. Juni 1942 zu schließen, was für noch tätige Lehrerinnen und Lehrer und noch schulpflichtige Kinder ein Todesurteil darstellte.<span id="four"></span>[[#Einzelnachweise|⁴]]
Die Cousine von Liesel hat noch etwas darüber geschrieben: ...und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine Freunde sind nicht mehr () meine beste Freundin, sie kam von Frankreich nach Ausschwitz. Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Ausschwitz (…)(aber) ich kannte ja ihre Schrift, jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen.‘“
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:Wir können vermuten, dass Liesel, da sie und ihre Familie noch bis Februar 1943 in Dortmund gelebt haben und Liesel im Dezember 1939 6 Jahre alt wurde, die in der Nähe der Wohnung gelegene [https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=J%C3%BCdische_Volksschule_Dortmund Jüdische Volksschule Dortmund] bis September 1941 besucht hat. Da Jüdinnen und Juden ab 6 Jahren von da an den Davidstern erkenntlich tragen mussten, war es möglicherweise sowieso für viele Kinder schon zu gefährlich, den Schulweg zu bestreiten oder gar überhaupt die Wohnung zu verlassen. Liesel könnte also nach dem Zusammenbruch des Schulwesens täglich zu Hause alleine verbracht haben, während sich die Eltern zur (Zwangs-)arbeit aufmachten. So war es für Liesel und andere Kinder wahrscheinlich am sichersten. Die Kurzdokumentation [https://www.youtube.com/watch?v=mbvcgqaztFs "Lernen in Angst und Bedrängung"] über die jüdische Schule in Dortmund ist ein Beispiel, wie ein möglicher Schulbesuch Liesels ausgesehen haben könnte.
  
Man weiß den Tag nicht genau, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 gewesen ist, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft worden und deshalb verstorben sind.
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Liesel war 1942, als der Zweite Weltkrieg inzwischen in vollem Gange war, fast neun Jahre alt. Ihre Familie wurde nun dazu gezwungen, mit vielen anderen in ein [https://juedisches-dortmund.de/das-judenhaus-der-familie-schanzer/#:~:text=Auch%20das%20Haus%20Prinzenstra%C3%9Fe%209,Frau%20starb%201932%20in%20Dortmund. „Judenhaus“] in die Steinstraße in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofes zu ziehen; heute ist dort das [https://www.cinestar.de/kino-dortmund/ CineStar Kino Dortmund].
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===Deportation===
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Von Oktober 1941 an begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Deportation der Juden in Konzentrationslager, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen und zu töten. Die Familie Neugarten blieb allerdings länger in Dortmund, da der Vater zwangsweise in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete; trotzdem wurde er am Samstag, dem 27. Februar 1943, festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.
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Am 1. März wurden Liesel und ihre Eltern von dort aus zum Ostentor geschickt (damals war einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof, der so genannte „[[Südbahnhof]]“), um von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz transportiert zu werden.
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===Konzentrationslager===
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[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Jenny_Dresen Jenny Dresen], Liesels Cousine, hat über diese letzte Lebensphase noch geschrieben: „Nach Auschwitz ist [...] mein Onkel Max und Tante Hanna aus Dortmund und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine ganzen Freunde sind nicht mehr.[...] Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Auschwitz. Die Karte war in Kattowitz abgestempelt und kam von meiner Tante, ich kannte ja ihre Schrift. Wie sie die in den Postkasten gekriegt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen.‘ Als die Karte bei uns ankam, lebten [sie] wahrscheinlich schon nicht mehr.“<span id="five"></span>[[#Einzelnachweise|⁵]]
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===Tod===
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[[Datei:Stolperstein-Liesel-Neugarten.jpg|200px|thumb|right|Stolperstein im Gedenken an Liesel Neugarten]]
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Der genaue Tag ist nicht bekannt, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 war, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten in Auschwitz als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft wurden und deshalb vergast wurden.
  
 
Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.
 
Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.
  
Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, geben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.
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Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, gaben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.
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Liesel und ihre Angehörigen werden zu Recht als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.
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==Weiterführende Literatur, Internetseiten und Belege==
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===Einzelnachweise===
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[1][[#one|↑]] + [2][[#two|↑]] + [3][[#three|↑]] https://www.annefrank.de/fileadmin/Redaktion/Themenfelder/Antisemitismus_entgegenwirken/Dokumente/arbeitsmethoden-antisemitismus_7-2.pdf
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:https://living-diversity.org/wp-content/uploads/2018/12/Just-like-any-other-day.pdf Auf beiden Seiten findet man eine Übersicht der damaligen Verbote für jüdische Bürgerinnen und Bürger
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[4] [[#four|↑]] https://www.gew-berlin.de/aktuelles/detailseite/juedische-schulen-unterm-hakenkreuz
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[5] [[#five|↑]] [[#Piorr|Piorr]] 2002, S. 189
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===Gedruckte Informationen===
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<span id="Piorr">'''Ralf Piorr,'''</span> "Geh nie diesen Weg..." - Erinnerungen an die Deportationen aus Herne, in: "Nahtstellen, fühlbar, hier...": Zur Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel. Klartext Verlag, Essen 2002
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<span id="Fscher">'''Rolf Fischer,'''</span> Verfolgung und Vernichtung - Die Dortmunder Opfer der Shoah. Gedenkbuch, Essen 2015
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===Internetseiten===
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'''Interne Verlinkungen'''
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'''[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Max_Neugarten Max Neugarten]''','''[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Jenny_Dresen Jenny Dresen]''','''[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Boykott_J%C3%BCdischer_Gesch%C3%A4fte Boykott Jüdischer Geschäfte]''','''[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=J%C3%BCdische_Volksschule_Dortmund Jüdische Volksschule Dortmund]''','''[https://historygo.wkdo.info/mediawiki/index.php?title=Frieda_Stern Frieda Stern]'''
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'''Externe Internetseiten'''
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'''Jüdisches Dortmund,''' "Das Judenhaus der Familie Schanzer" (Definition Judenhaus anhand des Judenhauses der Familie Schanzer) https://juedisches-dortmund.de/
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'''Stadt Dortmund Kurzdokumentation ''' "Lernen in Angst und Bedrängung" https://www.youtube.com/watch?v=mbvcgqaztFs
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'''Anne Frank Zentrum e. V., '''https://www.annefrank.de/
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'''Martin-Heinz Ehlert,''' Jüdische Schulen unterm Hakenkreuz : "Alles Erziehen ist vor allem ein Behüten" - Jüdische Schule in Berlin während der Zeit des Nationalsozialismus., in: blz 06/2005, 01.06.2005 https://www.gew-berlin.de/
  
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===Filme===
  
Liesel, ihre Familie und Angehörigen werden ganz richtig als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.
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[[Datei: Bild Video komprimiert.png|200px|left|thumb|link=https://www.youtube.com/watch?v=mbvcgqaztFs|Das Bild bitte anklicken, um ein externes Video zu starten.]]
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<br clear=all>
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Video der [https:///dortmunder-museen.de/mahn-und-gedenkstaette-steinwache/  Mahn- und Gedenkstätte Steinwache] <br>"Lernen in Angst und Bedrängung — Der Alltag jüdischer Schüler*innen", Dortmund 15.11.2021

Aktuelle Version vom 29. Januar 2024, 16:17 Uhr

Lebensdaten

Liesel Neugarten wurde als Tochter von Max Neugarten und Johanna Stern am 25. Dezember 1933 geboren. Ihre Familie war jüdisch und lebte zu diesem Zeitpunkt in Dortmund.

Leben

Von Liesel Neugarten gibt es kein Bild

Kindheit

Der Geburtstag der Tochter Liesel in der ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick für die Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden boykottiert und das Ermächtigungsgesetz, durch das die demokratische Grundordnung aufgehoben worden war, war im März in Kraft getreten.

Von da an (1934 – 1941) verschlechterte sich das Leben für jüdische Mitbürger, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen, wie Menschen anderer politischer und religiöser Überzeugungen, für Menschen mit Behinderung, aber auch für weitere, von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichnete Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma).

Jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen wurden von staatlicher Seite, aber auch von vielen Privatleuten diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt.

In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden. Für Liesel, die zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt war, werden diese Erlebnisse höchstwahrscheinlich traumatisierend gewesen sein.

Von da an war es jüdischen Mitmenschen untersagt, öffentliche Orte z.B. Spielplätze und Parks oder das Kino zu besuchen.¹ Liesel hatte also wenige Möglichkeiten, eine normale Jugend zu erleben.

Hinweisschild vor einem Park
"Juden unerwünscht"
Dieses Bild zeigt die Diskriminierung welche Liesel erfahren hat.
Zeichner: Udo Schotten, 2023


Sowohl Liesels Vater, der im kaufmännischen Bereich tätig war, als auch Liesels Mutter, welche das Geschäft für Herrenartikel des Vaters zusammen mit Ihrer Mutter Frieda und Ihrer Schwester Grete führte, waren als Kaufleute vom Boykott der jüdischen Geschäfte betroffen, weshalb sie also nicht mehr so einfach Geld verdienen konnten, um die Familie vernünftig zu ernähren. Man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein entbehrungsreiches Leben geführt hat.

Schulleben

Ebenso war es jüdischen Kindern verboten, zu deutschen Schule zu gehen.² Viele besuchten stattdessen dann jüdische Schulen, um zumindest für wenige Stunden dem grausamen Alltag zu entkommen und unter Gleichen zu sein. Doch ab September 1941 wurden die Lebensverhältnisse der jüdischen Familien durch Zwangsarbeit, Armut und täglicher Schikane extrem bedrückend. Hinzu kommt, dass ab September 1941 Jüdinnen und Juden ab 6 Jahren verpflichtet waren, den sogenannten Judenstern offenkundig zu tragen.³ Ein Emigrationsverbot wurde ausgesprochen und Deportationen begannen, was zum Ende des jüdischen Schulwesens führte. Die Reichsvereinigung wurde angewiesen, alle jüdischen Schulen bis zum 30. Juni 1942 zu schließen, was für noch tätige Lehrerinnen und Lehrer und noch schulpflichtige Kinder ein Todesurteil darstellte.

Wir können vermuten, dass Liesel, da sie und ihre Familie noch bis Februar 1943 in Dortmund gelebt haben und Liesel im Dezember 1939 6 Jahre alt wurde, die in der Nähe der Wohnung gelegene Jüdische Volksschule Dortmund bis September 1941 besucht hat. Da Jüdinnen und Juden ab 6 Jahren von da an den Davidstern erkenntlich tragen mussten, war es möglicherweise sowieso für viele Kinder schon zu gefährlich, den Schulweg zu bestreiten oder gar überhaupt die Wohnung zu verlassen. Liesel könnte also nach dem Zusammenbruch des Schulwesens täglich zu Hause alleine verbracht haben, während sich die Eltern zur (Zwangs-)arbeit aufmachten. So war es für Liesel und andere Kinder wahrscheinlich am sichersten. Die Kurzdokumentation "Lernen in Angst und Bedrängung" über die jüdische Schule in Dortmund ist ein Beispiel, wie ein möglicher Schulbesuch Liesels ausgesehen haben könnte.

Liesel war 1942, als der Zweite Weltkrieg inzwischen in vollem Gange war, fast neun Jahre alt. Ihre Familie wurde nun dazu gezwungen, mit vielen anderen in ein „Judenhaus“ in die Steinstraße in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofes zu ziehen; heute ist dort das CineStar Kino Dortmund.

Deportation

Von Oktober 1941 an begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Deportation der Juden in Konzentrationslager, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen und zu töten. Die Familie Neugarten blieb allerdings länger in Dortmund, da der Vater zwangsweise in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete; trotzdem wurde er am Samstag, dem 27. Februar 1943, festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.

Am 1. März wurden Liesel und ihre Eltern von dort aus zum Ostentor geschickt (damals war einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof, der so genannte „Südbahnhof“), um von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz transportiert zu werden.

Konzentrationslager

Jenny Dresen, Liesels Cousine, hat über diese letzte Lebensphase noch geschrieben: „Nach Auschwitz ist [...] mein Onkel Max und Tante Hanna aus Dortmund und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine ganzen Freunde sind nicht mehr.[...] Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Auschwitz. Die Karte war in Kattowitz abgestempelt und kam von meiner Tante, ich kannte ja ihre Schrift. Wie sie die in den Postkasten gekriegt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen.‘ Als die Karte bei uns ankam, lebten [sie] wahrscheinlich schon nicht mehr.“

Tod

Stolperstein im Gedenken an Liesel Neugarten

Der genaue Tag ist nicht bekannt, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 war, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten in Auschwitz als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft wurden und deshalb vergast wurden.

Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.

Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, gaben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.

Liesel und ihre Angehörigen werden zu Recht als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.

Weiterführende Literatur, Internetseiten und Belege

Einzelnachweise

[1] + [2] + [3] https://www.annefrank.de/fileadmin/Redaktion/Themenfelder/Antisemitismus_entgegenwirken/Dokumente/arbeitsmethoden-antisemitismus_7-2.pdf

https://living-diversity.org/wp-content/uploads/2018/12/Just-like-any-other-day.pdf Auf beiden Seiten findet man eine Übersicht der damaligen Verbote für jüdische Bürgerinnen und Bürger

[4] https://www.gew-berlin.de/aktuelles/detailseite/juedische-schulen-unterm-hakenkreuz

[5] Piorr 2002, S. 189

Gedruckte Informationen

Ralf Piorr, "Geh nie diesen Weg..." - Erinnerungen an die Deportationen aus Herne, in: "Nahtstellen, fühlbar, hier...": Zur Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel. Klartext Verlag, Essen 2002

Rolf Fischer, Verfolgung und Vernichtung - Die Dortmunder Opfer der Shoah. Gedenkbuch, Essen 2015

Internetseiten

Interne Verlinkungen

Max Neugarten,Jenny Dresen,Boykott Jüdischer Geschäfte,Jüdische Volksschule Dortmund,Frieda Stern


Externe Internetseiten

Jüdisches Dortmund, "Das Judenhaus der Familie Schanzer" (Definition Judenhaus anhand des Judenhauses der Familie Schanzer) https://juedisches-dortmund.de/

Stadt Dortmund Kurzdokumentation "Lernen in Angst und Bedrängung" https://www.youtube.com/watch?v=mbvcgqaztFs

Anne Frank Zentrum e. V., https://www.annefrank.de/

Martin-Heinz Ehlert, Jüdische Schulen unterm Hakenkreuz : "Alles Erziehen ist vor allem ein Behüten" - Jüdische Schule in Berlin während der Zeit des Nationalsozialismus., in: blz 06/2005, 01.06.2005 https://www.gew-berlin.de/

Filme

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Video der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
"Lernen in Angst und Bedrängung — Der Alltag jüdischer Schüler*innen", Dortmund 15.11.2021