Boykott Jüdischer Geschäfte

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Die erste große Boykott-Aktion

Westfälische Landeszeitung, vom 31.Juli 1935

Am 1. April 1933 wurde die erste große Boykott-Aktion gegen die jüdischen Geschäfte und Freiberufler durchgeführt. Die Nationalsozialisten erklärten den Boykott als Racheakt dafür, dass deutsche Juden angeblich weltweit Falschmeldungen über das ‚neue‘ Deutschland verbreitet hätten.

Davidsterne wurden an Hauseingängen und über Geschäften angebracht; daneben waren antisemitische Parolen zu lesen. Außerdem kam es in ganz Deutschland zu Gewalt gegen Juden. Des Weiteren wurde das Eigentum von Juden und Jüdinnen zerstört.

Westfälische Landeszeitung vom 30.Juli 1935
Bilderunterschrift: Seht sie Euch an: Sie (X) kauften im Saison-Schluß-Verkauf beim Juden Kaufmann, Westenhellweg - Fortsetzung folgt!

Die landesweite Boykott-Aktion, die nur einen Tag andauerte, ignorierten viele Deutsche und kauften trotzdem weiter in den jüdischen Läden ein. Nach dem Schlag gegen die jüdischen Wirtschaftsinteressen folgte eine weitere nationale Kampagne gegen die Juden von der NSDAP: Neue Gesetze schlossen Juden vom Staatsdienst und vielen Berufen aus.¹

Boykott-Aktionen in Dortmund

Verschiedenste Boykott Aktionen fanden in ganz Deutschland über mehrere Jahre statt. Auch in Dortmund kommt es zu einer Vielzahl von Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung. So wurden im April 1934 Bronzeplatten von Gräbern auf einem jüdischen Friedhof gestohlen. Ende September 1935 gingen mehrere SS- Angehörige in die Wohnung des staatenlosen Juden Pinkus Medaljon. Sie zogen ihn unter Gewaltanwendung aus der Wohnung und zerrten ihn unter lauter Beleidigungen sowie körperlichen Misshandlungen durch die Straßen Dortmund-Martens. Er wurde anschließend schwerverletzt in ein Krankenhaus gebracht.

Zahlreiche weitere Vorkommnisse wurden vor und nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze² gemeldet.³ Mehrfach wurde von judenfeindlichen Demonstrationen berichtet. Anfang August 1935 wurden Zivilpersonen vor jüdischen Geschäften in Höhe der Geschäfte „Back und Rosenthal“ in Dortmund- Hörde fotografiert. Am 13. August 1935 berichtete die damalige „Westfälische Landeszeitung – Rote Erde“, dass Passanten auf der Rheinischen Straße und dem Westenhellweg in Dortmund Zettel auf den Rücken geklebt worden waren, auf denen stand „Ich bin ein Volksverräter, habe soeben beim Juden eingekauft“ .

Im Sommerschlussverkauf 1935 wurde beispielshalber die Kundschaft des Kaufhauses Gebrüder Kaufmann eingeschüchtert. Am 29. Juli wurden Kunden angesprochen und beim Einkauf fotografiert. Die Fotos erschienen in der „Westfälische Landeszeitung – Rote Erde“. Dadurch wurde eine Vielzahl von Kunden öffentlich bloßgestellt und gedemütigt. Dieses Vorgehen ging bis zum Ende des Geschäftstages. Am folgenden Tag wurden die Aktionen immer auffälliger und der Verkauf in dem Kaufhaus kam beinahe zum Erliegen. Durch die Boykottaktion mussten die Geschäftsführer der Gebrüder Kaufmann AG 70 von 180 Mitarbeiter entlassen. Ein Großteil der Bevölkerung beteiligte sich nicht an den brutalen Übergriffen im Rahmen der Boykottaktionen, trotzdem richteten die Boykotte ein großen Schaden an.

'Frauen, kauft arisch!' - Beispiele für Medien zur Verbreitung des Antisemitismus

Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Beispiele für die Verbreitung des Antisemitismus in den Medien dargestellt. Diese machen sowohl den Druck auf die Gesellschaft als auch insbesondere den auf die Frauen deutlich.
Männer konnten sich von ihren Frauen scheiden lassen, wenn diese beim 'Juden' einkaufen waren. Dies wurde in einer norddeutschen Zeitung veröffentlicht und somit für jeden zum Nachlesen bereitgestellt. Dadurch wuchs der Druck auf die Frauen, nicht in den gewohnten Geschäften einkaufen zu gehen, da ihnen sonst die Scheidung drohen könnte.
Außerdem wurden Frauen explizit auf Plakaten angesprochen und abgebildet: Sie sollten 'arisch' einkaufen, wie die Nachzeichnung einer süddeutschen Werbung zeigt.
Dass das alles auch in Dortmund passierte, belegen die Ausszüge aus der lokalen Presse. Dortmunder wurden nämlich durch die Veröffentlichung von Bildern nach dem Einkauf in 'jüdischen' Geschäften bloß gestellt und dadurch vom weiteren Einkauf in diesen Geschäften abgehalten. In dem abgebildeten Gedicht wird ebenfalls die Rolle der Frau deutlich. Sie solle nicht denken, ihr Einkauf beim Juden bleibe ungesehen, und ihr solle bewusst sein, was der Einkauf beim 'Juden' für ihren Mann bedeute.


Allgemein wurden die Medien genutzt um den Menschen die Ideale der Nationalsozialisten aufzuzwingen und um diese zu kontrollieren. Durch den öffentlichen Druck sowie die öffentliche Bloßstellung fügten sich viele Menschen den Vorschriften aus Angst.

Westfälische Landeszeitung vom 23. April 1934, S. 5, oben links, geschrieben von "Paul".

Werbeanzeige, abgedruckt in: Zeitungszeugen Nr. 42 von 2009 (nachgedruckte Sammeledition aus NS-Zeitungen) zum Thema "Arisierung - November 1938: Die wirtschaftliche Vernichtung der jüdischen Bevölkerung"
Nachzeichnung von Udo Schotten, 2023

Hinweis: Die Überschrift ist in Sütterlin und lautet "Die Frau muß wissen".
Zur besseren Lesbarkeit:
Wann ist ein Geschäft rein arisch?
Wenn Kapital, Personal, Inhaber, Geschäftsführer rein arisch sind.
Wenn die Leitung des Geschäftes nicht in Händen eines Juden sich befindet und Einkauf nicht ein Jude tätigt.
Wir erfüllen nachweislich alle diese Punkte!
X, der erfahrenste Fachmann kauft selbst ein.
Bau auf X....


"Kauf in einem jüdischen Geschäft ist Scheidungsgrund. Eine Ehefrau hatte trotz ausdrücklichen Verbotes ihres Mannes wiederholt in jüdischen Geschäften eingekauft. Der Ehemann reichte die Scheidungsklage ein und machte geltend, es sei deswegen zwischen ihm und seiner Frau zu schweren Auseinandersetzungen gekommen. Seine Ehe sei dadurch so zerrüttet, dass er eine richtige eheliche Gemeinschaft mit der Frau nicht mehr führen könne. Die Ehe wurde aus alleinigem Verschulden der Ehefrau geschieden." (Elmshorner Nachrichten 15.10.1938)

Weiterführende Literatur, Internetseiten und Belege

Verweise

[1] Burkhard Asmuss, Der "Geschäftsboykott" am 1. April 1933, Lebendiges Museum Online (Deutsches Historisches Museum Berlin) vom 23. Juni 2015; https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/geschaeftsboykott-1933.html.

[2] Bundeszentrale für Politische Bildung: Projekt zur Familie Chotzen; https://www.chotzen.de/bibliothek/glossar/nuernberger-rassengesetze.

[3] Ulrich Baringhorst und Andrea Böhnke, Die Nürnberger Gesetze, Planet Wissen, Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 04.06.2020; https://www.planet-wissen.de/geschichte/nationalsozialismus/nationalsozialistische_rassenlehre/pwiedienuernbergergesetze100.html.

[4] Knipping 1977, 7. Ausschreitungen, Boykotte: S. 52-57.

[5] Harald Kirschninck, Nordseebad Norderney ist judenfrei: Die Geschichte der Juden von Norderney von der Niederlassung bis zur Deportation, Books on Demand. Kindle-Version.

Internetseiten

"Zeitungsportal NRW" ist ein vom Land gefördertes Projekt, das digitalisierte Zeitschriften aus den Jahren 1801-1945 bietet; die Zeitschriften werden laufen aktualisiert: https://zeitpunkt.nrw/.

Gedruckte Informationen

Ulrich Knipping, Die Geschichte der Juden in Dortmund während der Zeit des Dritten Reiches, Dortmund 1977.