Liesel Neugarten: Unterschied zwischen den Versionen

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==Kindheit==
 
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Der Geburtstag der Tochter in der ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick für die Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden [[Boykott|boykottiert]] und das [[Ermächtigungsgesetz]], mit dem Adolf Hitler seine alleinige Macht festigen konnte, war im März in Kraft getreten.
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Der Geburtstag der Tochter in der ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick für die Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden [[Boykott|boykottiert]] und das [[Ermächtigungsgesetz]], durch das die demokratische Grundordnung aufgehoben worden war, war im März in Kraft getreten.
  
Von da an (1934 – 1941) verschlechterte sich das Leben für sehr viele jüdische Menschen, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung, Menschen anderer Nationalitäten und Menschen, die den Verfolgten halfen, sehr.  
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Von da an (1934 – 1941) verschlechterte sich das Leben für jüdische Mitbürger, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen, wie Menschen anderer politischer und religiöser Überzeugungen, für Menschen mit Behinderung, aber auch für weitere, von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichnete Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma).
  
Jüdische Mitbürger wurden von staatlicher Seite, aber auch von vielen Privatleuten diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt, sogar nach dem Leben trachtete man ihnen.
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Jüdische Mitbürger wurden von staatlicher Seite, aber auch von vielen Privatleuten diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt.
  
In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden.  
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In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden.
Liesel war  zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt, eine schreckliche Zeit um aufzuwachsen.
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Für Liesel, die zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt war, werden diese Erlebnisse höchstwahrscheinlich traumatisierend gewesen sein.
  
Von da an war es für jüdische Kinder auch verboten zur deutschen Schule zu gehen, auch öffentliche Plätze z.B. Spielplätze und Parks waren für jüdische Mitmenschen verboten. Liesel hatte also wenige  Möglichkeiten, Kontakt mit Gleichaltrigen zu haben oder Schulfreunde zu finden.
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Von da an war es für jüdische Kinder auch verboten zur deutschen Schule zu gehen, auch öffentliche Orte z.B. Spielplätze und Parks oder der Kinobesuch waren für jüdische Mitmenschen verboten. Liesel hatte also wenige  Möglichkeiten, eine normale Jugend zu erleben.
  
Außerdem war Liesels Vater als Kaufmann vom [[Boykott]] der jüdischen Geschäfte betroffen; er konnte also nicht mehr so einfach Geld verdienen, um die Familie vernünftig zu ernähren. Man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein sehr hartes Leben geführt hat.
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Außerdem war Liesels Vater als Kaufmann vom [[Boykott]] der jüdischen Geschäfte betroffen; er konnte also nicht mehr so einfach Geld verdienen, um die Familie vernünftig zu ernähren. Man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein entbehrungsreiches Leben geführt hat.
  
 
==Kriegszeit==
 
==Kriegszeit==
1942, der Zweiter Weltkrieg ist inzwischen in vollem Gange und Liesel nun fast neun Jahre alt. Ihre Familie wurde dazu gezwungen, mit vielen anderen in ein [[„Judenhaus“]] in die Steinstraße in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofes zu ziehen; heute ist dort das CineStar Kino.
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Liesel war  1942 - der Zweite Weltkrieg war inzwischen in vollem Gange - fast neun Jahre alt. Ihre Familie wurde nun dazu gezwungen, mit vielen anderen in ein [[„Judenhaus“]] in die Steinstraße in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofes zu ziehen; heute ist dort das CineStar Kino.
  
 
==Deportation==
 
==Deportation==
Von Oktober 1941 an sind immer mehr Juden in Konzentrationslager deportiert worden, wo sie dann unter menschenunwürdigen Bedingungen gefangen gehalten und zur Arbeit gezwungen wurden, bis sie dann zum größten Anteil getötet wurden; einige wurden auch direkt nach Ankunft getötet, weil sie keine Zwangsarbeit leisten konnten, vielleicht weil sie zu alt, zu jung oder zu krank waren.
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Von Oktober 1941 an begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Deportation der Juden in Konzentrationslager, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen uund zu töten. Die Familie Neugarten blieb allerdings länger in Dortmund, da der Vater in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete; trotzdem wurde er am Samstag, dem 27. Februar 1943, festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.  
  
Liesels Vater und ihre Familie hatten etwas mehr Zeit. Denn er hatte einen so genannten kriegswichtigen Beruf in einem Betrieb; trotzdem wurde er am Samstag, den 27. Februar 1943, festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.
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Am 1. März wurden Liesel und ihre Eltern von dort aus zum Ostentor geschickt (damals war einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof, der so genannte „Südbahnhof“), um von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz transportiert zu werden.
 
 
Am 1. März wurden sie (Liesel und ihre Eltern) von dort aus zum Ostentor geschickt (damals war einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof, der so genannte „Südbahnhof“), um sie dann von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz zu bringen.
 
  
 
==Konzentrationslager==
 
==Konzentrationslager==
Die Cousine von Liesel hat noch etwas darüber geschrieben: „...und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine Freunde sind nicht mehr (…) (auch) meine beste Freundin, sie kam von Frankreich nach Ausschwitz. Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Ausschwitz (…) (aber) ich kannte ja ihre Schrift, jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen.‘“
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Jenny Dresen, eine Verwandte Liesels, hat über diese letzte Lebensphase noch geschrieben: „...und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine ganzen Freunde sind nicht mehr. Ursel Wollstein war meine beste Freundin, sie kam von Frankreich nach Ausschwitz. Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Ausschwitz. Die Karte war in Kattowitz abgestempelt und kam von meiner Tante, ich kannte ja ihre Schrift. ... Jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen. (...)‘“
  
 
==Tod==
 
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[[Datei:Stolperstein-Liesel-Neugarten.jpg|200px|thumb|right|Stolperstein im Gedenken an Liesel Neugarten]]
 
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Man weiß den Tag nicht genau, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 gewesen ist, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft worden und deshalb getötet wurden.
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Man weiß den Tag nicht genau, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 war, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten in Auschwitz als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft wurden und deshalb in die Gaskammer geschickt wurden.
  
 
Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.
 
Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.
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Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, geben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.
 
Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, geben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.
  
 
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Liesel und ihre Angehörigen werden zu Recht als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.
Liesel, ihre Familie und Angehörigen werden berechtigt als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.
 

Version vom 25. Februar 2020, 17:36 Uhr

Lebensdaten

Liesel Neugarten wurde als Tochter von Max Neugarten und Johanna Stern am 25. Dezember 1933 geboren. Ihre Familie war jüdisch und lebte zu diesem Zeitpunkt in Dortmund.

Kindheit

Von Liesel Neugarten gibt es kein Bild

Der Geburtstag der Tochter in der ersten Weihnachtszeit des NS-Regimes sollte leider nur ein kleiner Lichtblick für die Familie sein. Bücherverbrennungen, mit denen die Verfolgung von jüdischen und politisch-andersdenkenden Schriftstellern begonnen hatte, fanden bereits statt, jüdische Geschäfte wurden boykottiert und das Ermächtigungsgesetz, durch das die demokratische Grundordnung aufgehoben worden war, war im März in Kraft getreten.

Von da an (1934 – 1941) verschlechterte sich das Leben für jüdische Mitbürger, aber auch das von anderen Bevölkerungsgruppen, wie Menschen anderer politischer und religiöser Überzeugungen, für Menschen mit Behinderung, aber auch für weitere, von den Nationalsozialisten als minderwertig bezeichnete Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma).

Jüdische Mitbürger wurden von staatlicher Seite, aber auch von vielen Privatleuten diskriminiert. Ihr Lebensraum wurde eingeschränkt und begrenzt.

In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, in der vom Regime angestiftete und organisierte Gewalt gegen Juden durchgeführt wurde, ist auch in der Rheinischen Straße 58 das jüdische Textilgeschäft „Isenberg“ vollkommen ausgeräumt und verwüstet worden. Für Liesel, die zu diesem Zeitpunkt fast 5 Jahre alt war, werden diese Erlebnisse höchstwahrscheinlich traumatisierend gewesen sein.

Von da an war es für jüdische Kinder auch verboten zur deutschen Schule zu gehen, auch öffentliche Orte z.B. Spielplätze und Parks oder der Kinobesuch waren für jüdische Mitmenschen verboten. Liesel hatte also wenige Möglichkeiten, eine normale Jugend zu erleben.

Außerdem war Liesels Vater als Kaufmann vom Boykott der jüdischen Geschäfte betroffen; er konnte also nicht mehr so einfach Geld verdienen, um die Familie vernünftig zu ernähren. Man kann also davon ausgehen, dass Liesel mit ihrer Familie ein entbehrungsreiches Leben geführt hat.

Kriegszeit

Liesel war 1942 - der Zweite Weltkrieg war inzwischen in vollem Gange - fast neun Jahre alt. Ihre Familie wurde nun dazu gezwungen, mit vielen anderen in ein „Judenhaus“ in die Steinstraße in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofes zu ziehen; heute ist dort das CineStar Kino.

Deportation

Von Oktober 1941 an begannen die Nationalsozialisten mit der systematischen Deportation der Juden in Konzentrationslager, um sie als Zwangsarbeiter einzusetzen uund zu töten. Die Familie Neugarten blieb allerdings länger in Dortmund, da der Vater in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete; trotzdem wurde er am Samstag, dem 27. Februar 1943, festgenommen. Die gesamte Familie musste sich daraufhin am folgenden Tag in Dortmund-Brackel am Hellweg in einer Sammelstelle einfinden.

Am 1. März wurden Liesel und ihre Eltern von dort aus zum Ostentor geschickt (damals war einige Meter südlich davon ein großer Bahnhof, der so genannte „Südbahnhof“), um von dort wiederum in großen Viehwaggons, mit vielen anderen Menschen, nach Auschwitz transportiert zu werden.

Konzentrationslager

Jenny Dresen, eine Verwandte Liesels, hat über diese letzte Lebensphase noch geschrieben: „...und das Kind Lieselchen haben sie auch weggenommen. Mein ganzes Herz, meine ganzen Freunde sind nicht mehr. Ursel Wollstein war meine beste Freundin, sie kam von Frankreich nach Ausschwitz. Da habe ich eine Postkarte gekriegt, als einzige, es hat nie einer Post gekriegt von Ausschwitz. Die Karte war in Kattowitz abgestempelt und kam von meiner Tante, ich kannte ja ihre Schrift. ... Jedenfalls schrieb sie: ‚Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in deinen schlimmsten Träumen. (...)‘“

Tod

Stolperstein im Gedenken an Liesel Neugarten

Man weiß den Tag nicht genau, aber man geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich der 3. März 1943 war, an dem Liesel und ihre Mutter von den Nationalsozialisten in Auschwitz als „nicht-arbeitsfähig“ eingestuft wurden und deshalb in die Gaskammer geschickt wurden.

Liesel Neugarten ist nur 9 Jahre alt geworden.

Einige Zeit nach Kriegsende, am 15. Februar 1946, geben Angehörige eine Todesanzeige für Liesel und ihre Eltern auf.

Liesel und ihre Angehörigen werden zu Recht als „Opfer des Naziterrors“ bezeichnet.