Max Neugarten

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Stolperstein zum Gedenken an Max Neugarten an der Rheinischen Straße 29, 44137 Dortmund

Lebensdaten

Max Neugarten kam am 19.Juli 1897 als Sohn von Erich Neugarten und seiner Frau, einer geborenen Culp, deren Vornamen uns nicht bekannt ist, im Dortmunder Stadtteil Mengede zur Welt. Max Neugarten hatte drei Geschwister: Jenny, Sally und Siegfried. Man kann vermuten, dass Max Neugarten im kaufmännischen Bereich, speziell im Textilbereich, arbeitete. Dies würde zudem seine Beziehung zu Martin Rosenbaum erklären, welcher selbst ein Hombrucher Kaufmann war.

Frühes Leben

Max Neugarten heiratete Johanna Neugarten geb. Stern am 14. Februar 1933. Anschließend zieht das Paar mit zu Frieda Stern, Johanna Sterns Mutter, in die Rheinische Straße 29. Im gleichen Gebäude besaßen Johanna und Frieda Stern ein Textil-Geschäft. Zu dieser Zeit gab es vermehrt Übergriffe der antisemitischen Sturmabteilung in ganz Deutschland. Der Trauzeuge der Neugartens, Martin Rosenbaum, wurde am 11.04.1933 im NS-Publikationsorgan „Westfälische Landeszeitung - Rote Erde“ mit Hetze angegriffen.¹

Das Ehepaar bekam am 25. Dezember 1933 eine Tochter, dies war auch die erste Winter-Saison in der NS-Zeit. Die NS-Politik beeinflusste viele Bereiche im Leben der jüdischen Bevölkerung, so wurde im folgenden März das erste Konzentrationslager in Dachau eröffnet, es fanden Bücherverbrennungen statt und viele Beamtenpositionen wurden arisiert.

Die folgenden Jahre sind gezeichnet von der ausweitenden Diskriminierung von jüdischen Bürgern in ganz Deutschland. So wurde am 09. November 1938 auch das Textilgeschäft "Isenberg" in der Nachbarschaft der Familie Neugarten geplündert.² Gleichzeitig wurden Juden auch der Zugang zu vielen öffentlichen Einrichtungen untersagt und ein Arbeitsverbot wurde verhängt. Am 24.Mai 1938 schrieb Max Neugarten einen Brief an den "National Council of Jewish Women" in New York City, in dem er um Asyl bittet. Er schreibt, dass er sowohl Freunde hat, die ihn und seine Familie aufnehmen würden, als auch Geld für die Reise und das weitere Leben seiner Familie. Leider verlief dieser Versuch ohne Erfolg, da sein Cousin, Edwin Wisbrun, kurze Zeit später schrieb, dass er den Kontakt zu den Neugartens verloren habe.

Kriegszeit

In 1942 wurde die Familie in ein Judenhaus in der Steinstraße 14 zwangsumgesiedelt. Max Neugarten arbeite in einem kriegswichtigen Bereich, was seine Verhaftung verzögerte.


Deportation

Am Samstag, dem 27.Februar 1943 wurde Max Neugarten an seiner Arbeitsstelle verhaftet und in die Sammelstelle "Gasthof: Deutsches Haus" in Brackel transportiert, seine Familie musste sich am nächsten Morgen dort einfinden. Am Morgen des 01. März wurden die Neugartens mit der Bahn zum Ostentor und von dort aus zu Fuß zum Südbahnhof gebracht. Anschließend wurden sie mit Viehwaggons nach Auschwitz transportiert. Neben Max Neugarten und seiner Familie wurden auch viele andere jüdische Mitbürger aus Dortmund durch die Viehwaggons nach Auschwitz transportiert. Sie kamen am Abend des 03. März in Auschwitz an, Johanna und Liesel Neugarten wurden wahrscheinlich an der Rampe 'aussortiert' und starben am gleichen Tag.
Der Autor Hans Frankenthal, der in das gleiche Arbeitslager wie Max Neugarten transportiert wurde, beschrieb in seinem Buch "Verweigerte Rückkehr", wie er durch seine Arbeit auf einem hohen Gerüst den meisten Wachen aus dem Weg gehen und so länger überleben konnte. Der durchschnittliche Häftling überlebte laut ihm jedoch nur weniger als acht Wochen.³

„Nach der Ankunft trieben SS-Männer die Deportierten oft mit Schreien und Schlägen aus den Waggons. Direkt neben dem Zug fand die erste Selektion durch SS-Offiziere, ab März 1943 ausschließlich durch SS-Ärzte statt. Noch auf der Rampe wurden zwei Kolonnen gebildet: Alte, Schwache, Kinder und jüngere Jugendliche, Schwangere und Frauen mit Kindern wurden direkt in die Gaskammern gebracht"

Konzentrationslager und Tod

Luftaufnahme des Arbeitslagers Buna - Aufgenommen von der CIA am 14.09.1945
Liste der kranken Gefangenen im Konzentrationslager und ihre Todesursachen
via Archive des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oświęcim

Max Neugarten wurde bei der Selektion als arbeitsfähig eingestuft und wurde in das Arbeitslager III Buna in Monowitz transportiert, dort arbeitete er die nächste Zeit unter der Häftlingsnummer 105001 in der Treibstoff- und Gummiproduktion und bekommt dabei, so wie alle jüdischen gefangene Männer, den Beinamen Israel.

Die Zwangsarbeiter im Arbeitslager mussten unter anderem für die Firmen Fa. Uhde und I.G. Farben arbeiten.

Das Leben im Arbeitslager war hart und den Häftlingen wurde unzureichende Nahrung bereitgestellt, so dass die meisten Arbeiter in kurzer Zeit viel Gewicht verloren und verhungerten. Auch die Kleidung der Häftlinge war zum Überleben unzureichend, so dass viele Häftlinge krank wurden und an den daraus entstandenen Folgen starben.

Am 15. Mai 1943 erscheint der Name "Max Israel Neugarten" auf einer Liste, die die Namen von kranken Häftlingen enthält, welche vom Krankenhäftlingsbau "Monowitz" ins Stammlager Auschwitz überstellt wurden. Laut dieser Liste starb er an ein Ödem, einer Krankheit bei der sich Waser im Gewebe ansammelt, wodurch es zu schmerzhaften Schwellungen kommt. Ein Ödem kann viele Ursachen haben, unter anderem Hungersnot und langanhaltende, schwere Belastung. Dies war das letzte Zeichen von Max Neugarten.

Im gleichen Konzentrationslager wurden auch die Holocaust-Überlebenden Hans Frankenthal und sein zwei Jahre älterer Bruder Ernst gefangen gehalten. Hans Frankenthal beschreibt das Leben und die Umstände im Lager in seinem Buch "Verweigerte Rückkehr".

„[...] Völlig erschöpfte Häftlinge schleppten sich gebeugt vorwärts, viele von ihnen stützten zusammen gebrochene und verletzte Kameraden oder trugen Tote mit sich. Sie sahen selbst aus wie wandelnde Leichen. Die Toten wurden neben den Kommandos auf den Boden abgelegt und mitgezählt. Wer morgens gezählt worden war, hatte Abends wieder auf dem Apellplatz zu erscheinen, tot oder lebendig.[...]“

Nachkriegszeit

Gedenkblatt von Max Neugarten, Wiedergabe mit Erlaubnis von Yad Vashem

Viele Überlebende aus den Arbeits- und Vernichtungslagern trafen nach ihrer Befreiung auf Schwierigkeiten, für ihre Sichtweise und Anliegen Gehör zu finden. Die Zahl derjenigen, die ihre Erfahrung aus dieser Zeit teilen können, wird immer kleiner, weshalb es umso wichtiger wird, ihnen Gehör zu schenken. Viele der involvierten Firmen wie z.B "I.G Farben" gingen lange ihrer Verantwortung aus dem Weg. Die Opfer und ihre Angehörigen versuchten vergebens, teilweise bis heute, ihrer Geschichte Gehör zu verschaffen.

1951 verklagte Norbert Wollheim die I.G. Farben i.L.(Die Abkürzung i.L. steht für "in Liquidation". Diese Bezeichnung wird auf Unternehmen angewandt, die gegenwärtig liquidiert werden) in einem Zivilprozess auf Erstattung vorenthaltenen Arbeitslohns für die von ihm geleistete Zwangsarbeit in Buna-Monowitz und auf Schmerzensgeld. Die Verteidigung wehrte wie bereits in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen jegliche Verantwortung für das Schicksal der Zwangsarbeiter ab. Am 10. Juni 1953 gab das Landgericht Frankfurt Wollheim recht und verurteilte die I.G. Farben i.L. zur Zahlung von 10.000 DM. Der Konzern legte gegen das Urteil Berufung ein. Für die Vertreter der I.G. Farben i.L. ging es darum, einen Präzedenzfall zu verhindern.[...] Das Berufungsverfahren endete 1958 mit einer außergerichtlichen Einigung zwischen der I.G. Farben einerseits und Wollheim sowie der Claims Conference andererseits. Die I.G. Farben zahlte insgesamt 30 Millionen DM für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter im KZ Buna-Monowitz.

Seit den 1980er Jahren gab es starke Proteste von Holocaust-Überlebenden, kritischen Aktionären und politischen Organisationen gegen die I.G. Farben i.L. Die Gegner forderten eine Auflösung der I.G. und eine Ausschüttung des Restvermögen an die ehemaligen Zwangsarbeiter. Das Stiftungskapital in Höhe von drei Millionen DM sollte durch den Verkauf einer Gewerbeimmobilie eingebracht werden. Aus den Zinserträgen, etwa 200.000 bis 300.000 DM jährlich, sollten ehemalige Zwangsarbeiter der I.G. entschädigt werden.[...]

Max Neugarten und seiner Familie hat die Entschädiung leider nichts gebracht.

Weiterführende Literatur, Internetseiten und Belege

Einzelnachweise

[1] Oebel 2005, S.76-77

[2] Bitzel 1988, S. 60 und Anm. 61 auf S. 95

[3] Frankenthal 1999, S.60

[4] Fritz-Bauer Institut 2023, S.34

[5] Schwarz 2016, S. 78, 176

[6] Frankenthal 1999, S.58

[7] Frankenthal 1999, S.166-168

[8] Fritz-Bauer Institut 2023, S.76

[9] Fritz-Bauer Institut 2023, S.82

Internetseiten

Die Internetpräsentation "Der Auschwitz-Prozess" bietet umfangreiches Material zum "Tatort Auschwitz".

- Yad Vashem - Die staatliche israelische Gedenkstätte des Holocausts
- Tina Schwarz, Buna-Werke: Wie Nazis tausende Zwangsarbeiter in Schkopau ausbeuteten, Mitteldeutsche Zeitung vom 16.01.2017

Gedruckte Informationen / Archivalien

Uwe, Bitzel Damit kein Gras darüber wächst. Ereignisse um die Pogromnacht 1938 in Dortmund. Dortmund 1988.

Rolf, Fischer Rolf Fischer, Verfolgung und Vernichtung – Die Dortmunder Opfer der Shoa. Klartext Verlag, Essen 2015.

Hans, Frankenthal Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. Metropol Verlag, Berlin 2012. Erstausgabe: Fischer Taschenbuchverlag, 1999.

Roger, Oebel Hombruch unterm Hakenkreuz. Dortmund 2005

Gudrun, Schwarz Die nationalsozialistischen Lager. 2016

Fritz Bauer Institut Geschichte und Wirkung des Holocaust, Begleitpublikation zu der Wanderausstellung, Die I.G. Farben und das Konzentrationslager Buna-Monowitz.Frankfurt, 3. überarbeitete Auflage, 2023