Jüdische Textilindustrie

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Jüdische Textilwirtschaft

In Deutschland gab es um 1930 viele Geschäfte der Textilbranche, aber auch der Textilproduktion, die in jüdischem Besitz waren. Sucht man nach Gründen für diese Entwicklung, so muss man eine Zeitreise unternehmen. Im Mittelalter durften Juden keinen Grund und Boden erwerben, d.h., sie konnten keinen Bauernhof besitzen. Sie durften auch nicht Mitglied der Handwerkszünfte oder Kaufmanngilden werden. Damit waren sie von den meisten Berufstätigkeiten ausgeschlossen. Außerdem lebten sie getrennt von der christlichen Bevölkerung (Judenstraßen oder Ghettos). In der Frühen Neuzeit (1500-1800) blieben den Juden die Berufe, die nicht angesehen waren: nichtzünftiges Handwerk (wie Metzger), Kramhandel, Pfandleihe, Kleinkreditgewerbe, Brauwesen und Schankwirtschaften, Hausierergeschäft und reisender Landhandel. Gerade durch die lange Erfahrung, die Juden als Hausierer und Händler mit Textilien erworben hatten, wurden sie schließlich zu Experten auf dem Textilsektor.


Jüdische Textilwirtschaft vor 1933

Die Modebranche an sich nahm in Deutschland eine wichtige Rolle ein, in Berlin war es sogar nach dem Maschinenbau und der Elektroindustrie der drittgrößten Wirtschaftszweig.(Fußnote: Annika von Taubere Wie die Nazis ...)

Symbolbild von 1937
Symbolbild von 1937

Während in England und in den USA das Prinzip der Ready-to-wear-Mode längst eingeführt war, gab es diese Bequemlichkeit für weiblichen Kunden in Deutschland noch nicht. Sie mussten Extraanfertigungen in Auftrag geben oder sich teuere Einzelstücke aus Paris bestellen. Die revolutionäre Idee, Kleider in verschiedenen Größen auf Vorrat zu anzufertigen, war nicht nur praktisch, sondern bot vor allem schöne Kleidung, die auch bezahlbar war. Jüdische Schneider und Kaufhausbesitzer machten es nun möglich, dass die Mode im Mittelpunkt stand. Der ganze Alltag war in den 1920er Jahren stark von Freizeit, Theater, Kino geprägt. Alle Menschen wollten dem neusten Trend folgen. Der erste Weltkrieg war vorbei und die Leute wollten ihr Leben genießen. Die Frauen wünschten sich, wie ein Mannequin auszusehen, als seien sie gerade aus einem Film herausgetreten. Das Berliner Nachtleben war legendär.

Doch wo fand man jüdische Geschäfte in Dortmund? Abgesehen von „Meyer & Günther“, welches aus einem kleinen Textilunternehmen in der Nordstadt zu einem Textilpalst wurde, dem Geschäft "Gebrüder Kaufmann" und schließlich dem "Modehaus – Korsettmacherei Rose & Co.", gab es auch kleine Unternehmen z.B. auch der Rheinischen Straße zwischen Emscherbrücke bis hin zur Dortmunder Innenstadt. Auch in der Nähe der St. Anna Kirche fanden sich jüdische Geschäfte. So wissen wir aus der Zeit nach 1933 z.B. von Aufmärschen der SS entlang der jüdischen Geschäfte auf der Rheinischen Straße. Fußnote: Heinz Udo Brenk, St.-Karl-Borromäus in Dortmund-Dorstfeld (Flerus & Konert, 1928/29): Auf der Schwelle zwischen Historismus und Moderne. Eine Kirche als Spiegel gesellschaftlicher, lokaler, architekturgeschichtlicher, liturgischer und kunstgeschichtlicher Strömungen der Zeit, books on demand 2016, S. 128.

Im Dortmund Adressbuch von 1927¹ sind im vierten Teil "Alphabetisches Verzeichnis der Geschäfts- und Gewerbetreibenden und der freien Berufe" beispielhalber folgende Textilgeschäfte in der Rheinischen Straße und in der Umgebung aufgelistet:

- „Rose & Co.“: Westenhellweg 57, 59, 61, 63 (Möbelfabrik Hohe Straße 128) - zum Angebot gehörten: Manufaktur, Modeware, Anfertigung von Herren u. Damengardrobe, Wäsche, Weißwaren, Teppiche, Pelzwaren, Dekoration

- „Meyer & Günther“: Steinstr. 1-3; Zimmerstr.2-4 Leopoldstr. 3-5

erweitern um Einträge von 1930 und Namen aus Arisierungsliste: Stern, Jordan, Isenberg, Goldschmidt Nr. 104, Heyum Handarbeiten Nr. 16, Putzgeschäft Keller Nr. 60,5, Lindemann Herrenmoden Nr. 88, 5 und 19, Schuhhaus Westfalia 97 und die großen Kaufhäuser umstrukturieren.

Ein typisches Geschäft der Zeit, was sich zum größten Kaufpalast Dortmunds und Umgebung entwickelte, war Meyer & Günther am Steinplatz.

Ende August 1989 (Datum ??) erschien in Dortmund eine Textilwerbung bis dahin mit einem unbekannten Namen namens „Meyer & Günther“. Die Inhaber hießen Bernhard Meyer und Siegmund Günther, beide Geschäftspartner waren jüdischer Herkunft. Innerhalb von ca. drei Monaten gewinnt der Familienbetrieb auch die männliche Kundschaft. Mit zwei Wochen Verzögerung, am 18./19. November, wird die Eröffnung mit einem Konzert präsentiert, was durchaus ein Anlass war, das Textilgeschäft zu besuchen. Sogar die Dortmunder Zeitung verwies auf die Geschäftseröffnung. Auch hier erweisen sich jüdischen Händler als Trendsetter. Was am 21. November ??? als einzelnes Geschäft begann, wuchs binnen einiger Jahren rasch zu einem kompletten Kaufhaus.

Es lief tatsächlich so gut, dass nach erneuten Renovierungen im Oktober 1912 ein vierstöckiger Kaufpalast mit 7000 Quadratmeter Verkaufsfläche bewundern war. Das Kaufhaus Meyer & Günther stellte eine große Konkurrenz für die umliegende Kaufhäuser dar und Menschen aus allen Stadtteilen kamen zum Steinplatz, um dort ihre Kleidung zu erwerben. Das lag auch an dem guten Standort, in der Nähe des Hauptbahnhofs Dortmund, so ist auch den Annoncen der Zeit zu lesen. Mitte der Goldenen Zwanziger erreichte der Jahresumsatz 5 Millionen Mark. D Quellenangaben:

Jüdische Textilwirtschaft nach der Machtübernahme

Nach der Machtergreifung wurden die wichtigsten Modehäuser in Deutschland, die von Juden geleitet wurden, vernichtet. Nicht nur Modehäuser litten darunter, sondern auch die Textilindustrie und die Modekultur. In vielen Bereichen waren die jüdischen Fabrikbesitzer und Kaufhausbetreiber oft Trendsetter. Boykott der Geschäfte, Überwachung der Kundinnen und Enteignung (Arisierung) Adefa-Gründung und trotzdem noch Erkenntnis der Bedeutung der Juden in der Textilbranche (QUELLE) „Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten“: (1934) NS-Regime berichtete, dass die Juden, die in Textil- und Konfektionsbranche tätig waren, erhebliche Gewinne erzielten. Problematisch sei für Nationalsozialisten gewesen, dass sogar Reichs- und Staatsstellen glaubten, dass ohne die Mitwirkung der Juden Deutschland nicht auskommen würde.


„Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden ein!“

1935 Frauen, die bei Juden kaufen, worden fotografiert. _BILD_



Platzhalter

Die Nationalsozialisten zerstörten nicht nur die jüdische Kultur, sondern neben den Büchern (1933) verbrannten sie auch Stoffe (Quelle?).



Der Terror zeigt sich auch im Kaufhaus .... Meyer und Günther ... Kunden wurden von SS-Männern am Betreten des Kaufhauses gehindert, den Inhabern wurden geschäftsschädigendes Verhalten vorgeworfen. Sie seien z.B. mit Kommunisten verbündet und würden ihnen Geld zusenden. Nach seinem Tod seiner Frau versuchte Bernhard Meyer aus Deutschland zu fliehen, doch er wurde kurz davor verhaftet und nach Dortmund überführt. Er nahm sich am 31.08.1936 das Leben. Ein Fremdeinwirken der Gestapo konnte nicht nachgewiesen werden, wird jedoch nicht vollständig ausgeschlossen. Über das Schicksal von Siegmund Günther gibt leider keine Informationen. Diese Ereignisse zeichneten das offizielle Ende des Kaufpalasts Meyer & Günther, doch rein geschäftlich gehörte es schon seit 1933 dem deutschen Kaufmann Kurt Drahota. Das Kaufhaus wurde im Krieg stark zerbombt und dann nur vereinfacht wiederaufgebaut. In Jahr 1957 wurde daraus das Kaufhaus Kogge, jedoch scheiterte dieses. 1962 sollte das Kaufhaus Nord entstehen, doch auch dieses setzte sich nicht durch. Infolgedessen wurde das Geschäftshaus abgerissen. Heute erinnert an das erfolgreiche Kaufhaus Meyer & Günther nur noch die Nachbildung des Eisengießbrunnens, der damals vor dem Gebäude stand.


Wo stand die deutsche Mode dann nach den Terrormaßnahmen der NS? Einerseits Dirndlchic, andererseits Vernichtung großer Teile der Textilbranche und unmenschliche Produktion im KZ. Somit hetzten die Nazis gegen jüdische Kaufhäuser und gründeten die Arbeitsgemeinschaft deutsch/ arischer Fabrikaten, die sogenannte „Adefa“ (Mai 1934) was soviel bedeutet wie „Ausschaltung des jüdischen Einfluss und damit des jüdischen Geschmacks aus der deutschen Bekleidungsindustrie“. entwickelte sich die „artgemäße deutsche Kleidkultur“. Typische Merkmale für Damenmode der NS-Zeit sind: Kleider mit Platz für Bauch statt schmaler Taille, blonder Zopf statt dunklem Bubikopf, Kind im Arm statt Zigarette im Mund. Zu folgern ist, dass die Mode nichts mehr Kreatives an sich hatte. Eine unterdrückte Mode. Mit dem dem Ausschluss der Juden aus der Modebranche vernichteten Nazis in Deutschland auch die Eleganz.


Verbindung herstellen - Quelle ? Unglaublich aber wahr, Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau sollen Mode produziert haben für den Export.

Wie mag bloß eine junge jüdische Frau all das erlebt haben? Eine Gedankenreise...

1939: „Juden ist es nicht mehr gestattet, neue Kleidung zu kaufen.“

September 1939: „Juden wird es verboten, zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens das Haus zu verlassen – im Sommer 21-5Uhr“

Juni 1941: „Juden ist es nicht mehr erlaubt, Seife zu kaufen.“ - „Juden ist der Kauf von Rasierschaum verboten.“


Die Gedanken einer jungen jüdischen Frau, die in einer Zeit leben muss, in der für sie Ausgangssperren gelten, sie gezwungen wird, ihre Identität aufzugeben, und sie Erniedrigung und Ausgrenzung erfährt, nur wegen einer Pseudoideologie, die rassistische Menschen erfunden haben, werden hier in einem fiktiven Gedicht für das Jahr 1939 wiedergegeben:

Badeanzug


Badeanzug, ich halluziniere
Badeanzug, und meine Angst verschwinde
Badeanzug, und ich … und ich überwinde.


Sommerzeit in einer Ecke
Heiß und schwül
Meine Gedanken heiß und trüb
anvisiert, verletzt, zerbrochen.


Doch ich hab dich
Du gibst mir meine Zeit des Lebens zurück
Du trägst das Lachen was von mir geht
Du nur Du auch wenn dies mit Tränen begleitet wird.


Die Seele schreit
Warum, Was haben wir getan?
Ich schreie IN MIR, so dass niemand mich hören kann
Ich versteh es nicht!


Badeanzug, blau, wie der Himmel
Badeanzug, weiß, dass meine Angst verschwinde
Badeanzug, gelb, gelb, gelb, dass die Sonne wieder erblicke.

(Anna-Maria L., Literaturkurs WiSe 2022/23)

Quellenangaben

[1] Dortmunder Einwohnerbuch (1927) https://www.digibib.genealogy.net/viewer/image/130293830D_1927/899/


https://www.welt.de/iconist/mode/article182903014/Wie-die-Nazis-die-deutsche-Modekultur-zerstoerten.html

Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945 von Otto Dov Kulka und Eberhard Jäckel Droste Verlag Düsseldorf S. 91

https://www.deutschlandfunkkultur.de/ausstellung-brennender-stoff-wie-die-nazis-den-juden-die-100.html

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/geschaeftsboykott-1933.html

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